VDE 8 - Mit dem ICE durch Thüringen
Schon kurz nach der Wiedervereinigung beschloss die Bundesregierung zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Jahr 1991 die „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ (VDE). Für Thüringen waren neben dem Aus- und Neubau der Autobahnen auch sehr umfangreiche Investitionen in das Schienennetz vorgesehen, führte doch das Projekt einer neuen Nord-Süd-Achse von Nordeuropa nach Italien durch den Freistaat. Innerhalb der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit erhielt diese Trasse die Nummer 8.

Sie umfasste drei Teilobjekte:
8.1 Ausbau der Strecke zwischen Nürnberg und Ebensfeld sowie Neubau eine Strecke von Ebensfeld nach Erfurt mit Überwindung des Thüringer Waldes.
8.2 Neubau der Strecke zwischen Erfurt und dem Knoten Halle/Leipzig
8.3 Ausbau der Strecke von Halle/Leipzig nach Berlin

Die Gesamtlänge der neuen Verbindung von Berlin nach München beträgt nach Fertigstellung dieser Verbindung 515 Kilometer und wird von den schnellsten Intercity-Zügen in weniger als vier Stunden bewältigt. Früher brauchten die Intercity-Züge von Berlin über die Saalebahn und den Frankenwald sieben Stunden und zehn Minuten bis nach München.
Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit auf den Neubauabschnitten beträgt 300 km/h. Statt auf Schwellen und Schotter liegen die Gleise auf der „Festen Fahrbahn“ - einer aus vorgefertigten Stahlbetonteilen auf Betonunterbau errichteten neuen Gleiskonstruktion. Hier gibt es auch keine herkömmlichen Signale mehr. Die Zugüberwachung und Steuerung erfolgt über das neue Europäische Zugüberwachungssystem ETCS. In den Ausbauabschnitten sind 200 km/h möglich.
Nach einer Bauzeit von insgesamt 26 Jahren wurde zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2017 der durchgehende Betrieb aufgenommen. Damit einher gingen die wohl größten Veränderungen im Fernverkehr der Deutschen Bahn.
Schon zwei Jahre eher erfolgte die Betriebsaufnahme auf dem Nordabschnitt zwischen Erfurt und Halle/Leipzig. Hier rollten die ersten Züge bereits ab dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2015 über die neue Trasse. Sie durchqueren dabei 15,4 km Tunnel und etliche große Talbrücken. Die längste Brücke ist dabei die Brücke über die Saale-Elster-Aue mit einer Länge von 8,6 km.
Thüringen erreichen die auf dem Abschnitt VDE 8.2 von Norden kommenden Züge im „Finnetunnel“ gelegen in der Nähe von Buttstädt. Sie umfahren das Massiv des Ettersberges und queren vor Erfurt das Thüringer Becken. Auf Höhe von Atzmannsdorf, in etwa dort, wo es ganz früher einen Bahnübergang gab, vereinigen sie sich mit der Trasse der alten Thüringer Bahn von Erfurt nach Großkorbetha. Diesen Abschnitt benutzen alle von Berlin und Dresden kommenden Intercitys.
In Erfurt teilen sich die Wege. Die nach Frankfurt/Main verkehrenden Züge nutzen die alte Thüringer Bahn über Eisenach und Bebra. Die Züge in Richtung München biegen kurz vor Erfurt-Bischleben von der Stammstrecke ab und verlassen auf dem Abschnitt VDE 8.1 das Geratal. Parallel zur A71 geht es in Richtung Ilmenau. Am Tunnel „Sandberg“ endet die sogenannte „Bündelungstrasse“. Die in diesem Abschnitt 107 Kilometer lange Schnellfahrstrecke beginnt den Anstieg zur Überwindung des Thüringer Waldes, der bei einer Scheitelhöhe von 603 Metern erreicht wird. (Zum Vergleich Bahnhof Oberhof 639m über NN) Zwischen Erfurt und Ebensfeld waren dazu 22 Tunnel und 29 Talbrücken zu errichten. Die Streckenlänge auf Brücken und in Tunnelbauwerken beträgt 53 Kilometer und damit gut die Hälfte der Gesamtstrecke Erfurt-Ebensfeld.
Jens Weiske
Unsere erste Aufnahme vom fahrplanmäßigen Betrieb auf der ICE-Neubaustrecke. Auf dem „falschen Gleis“ eilte am 10.12.2017 ein aus 2 ICE T-Einheiten gebildeter Intercity auf dem Bündelungsabschnitt mit der A71 in Richtung Erfurt.
In der leichten Steigung vom Überholungsbahnhof Eischleben hinauf zum Parkplatz „Dornheimer Ried“ an der A71 passiert am Vormittag des ersten Betriebstages noch in exakter Fahrplanlage ein ICE 1 unseren Standort.
Kurz nach Verlassen des „Behringer Tunnels“ befuhr am gleichen Tag ein ICE T-Triebwagen in Richtung Berlin die parallel zur Autobahn liegende Neubaustrecke.
Der erste Betriebstag gehörte scheinbar den bereits in den vergangenen Jahren in Thüringen bewährten ICE-T. Fast alles was uns vor die Linse kam gehörte zu dieser Baureihe. Bei Kirchheim rollt ein Triebzug in Richtung Erfurt.
In Richtung Norden überquert dieser ICE 1 die Lange Brücke über das Autobahnkreuz von A4 und A71. Der eisige Wind erschwerte das Warten auf die nicht unbedingt in Fahrplanlage verkehrenden Züge. Mit klammen Fingern ist ein Fotoapparat schlecht zu händeln.
Von der Wirtschaftswegbrücke über die Autobahn und die ICE-Trasse bei Roda geht der Blick geradewegs durch den „Behringer Tunnel“. Diesen hat ein ICE-T auf seinem Weg nach Norden gerade hinter sich gebracht.
Die Verbindungsstraße Arnstadt – Gehren überwindet hinter Branchewinda einen kleinen Bergrücken. Durch diesen wurde beim Bau der Autobahn und der ICE-Trasse der Behringer Tunnel vorgetrieben. Ein ICE 1 hat selbigen gerade in Richtung München verlassen.
Als ich am 18.02.2018 um 14:05 Uhr wieder an der ICE-Trasse stand waren seit der Betriebsaufnahme mehrere Wochen vergangen. Der aus dem „Behringer Tunnel“ ausfahrende ICE 3 war pünktlich in Erfurt abgefahren.
Ein ICE 1 befährt die Brücke über die Wipfra, um gleich darauf im Tunnel „Sandberg“ zu verschwinden. Hier endet der Bündelungsabschnitt von ICE-Trasse, Autobahn A71 und der Hochspannungsfernleitung durch Thüringen.
Auf dem Abschnitt zwischen Tunnel „Sandberg“ und dem Überholbahnhof „Wümbach“ geht es durch eine relativ ebene Waldgegend. Begleitet von der Hochspannungsleitung gewinnt die ICE-Trasse stetig an Höhe für die anstehende Thüringer Wald - Querung.
Kurz vor dem Überholungsbahnhof „Wümbach“ überquert die ICE-Trasse ein Seitental der Ilm. Da aus Lärmschutzgründen beidseitig Schallschutzmauern angebracht wurden und vom ICE nur mehr der Pantograph herausschaut, verzichtete ich auf ein Foto mit Zug.
An den Überholbahnhof „Wümbach“ schließt sich die „Ilmtalbrücke“ an. Der ICE 1 nach München hat selbige gerade überquert und verschwindet gleich im Tunnel „Tragberg“, dem ersten auf der direkten Unterquerung des Thüringer Waldes.
Auf dem Nordabschnitt des Verkehrsprojektes VDE 08 rollt der Verkehr schon länger. Am 19.01.2016 kurz nach dem Fahrplanwechsel nähert sich bei Großmölsen ein ICE-T dem Knoten Erfurt.
Ein Zug im gleißenden Weiß der Wintersonne. Auch ohne „Farbe“ erzielt die moderne Eisenbahn mit ihren standardisierten Bauelementen wie feste Fahrbahn, „Mastenwald“, Lärmschutzwänden und Hochgeschwindigkeitszügen eine gewisse Faszination.
Die Kilometertafel als Synonym, mit 200km/Stunde rauscht der ICE-T am Streckenkilometer 200 kurz vor der Einbindung auf die alte Thüringer Bahn bei Vieselbach durch das Thüringer Becken. In wenigen Minuten ist der nächste Halt in Erfurt erreicht.
Veröffentlicht am 08.03.2018